Das sagt Maria Schneider, eine der ganz großen zeitgenössischen Komponistinnen. Und viele andere, die es eigentlich wissen müssen.

Und dann noch ich.

Willst du mir zusehen, wie ich an dem Ast säge, auf dem ich sitze?

Voilà:

Ich halte die Kombination Musik – Wettbewerb / Vergleich / Benotung für mindestens unglücklich, mitunter sogar für widersinnig bis fatal.

Dabei lebe ich unter anderem auch von sowas. Das ist die Widersprüchlichkeit meiner Existenz. 🙂

Inspiriert zu diesem Blogeintrag hat mich auch der Zeit Online-Artikel „Spielen bis zum Umfallen“, der die Frage nach dem Sinn eines von (Hoch-) Leistungsdruck und Drill geprägten, fast von Beginn an vollständig der Musik untergeordneten, anstatt von ihr bereicherten, Lebens stellt. (Für Eilige war ich darin schon mal mit dem Textmarker unterwegs. Ich freue mich aber für jeden, der die Muße hat, Dinge ganz in Ruhe vollständig zu erkunden.)

Zunächst einmal möchte ich hier jedoch gar nicht von Wettbewerben oder Orchestervorspielen sprechen, sondern von etwas, bei dem ich mich auskenne:

Unterrichten

Lehrer müssen, um einem Schüler den Weg zu weisen, auch konstruktiv kritisieren, das ist klar. Und nirgends ist Lobhudelei (nicht Lob!) unangebrachter als in der Unterrichtssituation.

Ich würde jedoch niemals Schüler während einer Unterrichtsstunde wertend miteinander vergleichen (indem ich Zensuren vergebe, muss ich es dann indirekt doch tun):

„Also weißt du, Sven, Anika ist dir in Sachen Phrasierung, Groove und Improvisation eine ganze Ecke voraus, ich würde sagen, sie ist ein Fünftel besser als du.“ – Jetzt ist Sven bestimmt total motiviert, so gut wie Anika zu werden, yeah!

Ich finde, er sollte nicht Anika und nicht einmal mir als seinem Lehrer verpflichtet sein, sondern einzig und allein der Musik und sich selber.

Ich würde nicht mal Anika sagen, dass sie von all meinen Schülern mit Abstand die begabteste, versierteste, beste ist. Unter den Schülern meines Kollegen wäre sie´s vielleicht schon nicht mehr. Und darum geht´s auch gar nicht.

Oder, um es mit Ben Folds zu sagen: „There´s Always Someone Cooler Than You“. (Check die Lyrics – es lohnt sich!).

Meine Schüler und ich gehen den gleichen Weg, ich bin lediglich früher los gelaufen

Es ist doch im Idealfall so: Auf der einen Seite will jemand etwas über Musik lernen und die ist ohnehin der Chef. (Und falls der mal zickt, taugt als Interims-Motivation durchaus auch einmal die Vision eines auf feinstes Bütten geprägten, Türen öffnenden und Eltern besänftigenden staatlichen Abschlusszeugnisses.)

Auf der anderen Seite ist da dieser Typ, der einem bei der ganzen Geschichte helfen kann und auch noch will (!), indem er seinen Erfahrungsvorsprung bereitwillig teilt.

Hm, also für mich klingt das nicht übermäßig kompliziert, eher nach einem perfekt passenden 2-Teile-Puzzle. Und das müsste eigentlich jeder hinkriegen, dessen Speiseplan zumindest teilweise aus fester Nahrung besteht.

Darüber hinaus finde ich: Musik gehört gehört („Ey, Alder, stottersdujetz oder was?“). Und Musik gehört gemacht („Ah-ßßooo…!“).

Und bezahlt.

Aber muss sie bewertet werden?

Von wem? Von den Kritikern, den „Kennern der Materie“? Von allen? Ist persönlicher Geschmack schon ausreichend, um als „Kenner der Materie“ durchzugehen?

Für wen? Wem dient das Bewerten? Den Bewerteten, als Orientierung? Den Bewertern, weil ein ganzes (und eben auch musikalisches) Bildungssystem, samt der dazu gehörenden Berufsbilder und Hierarchien auf Benotung und Bewertung fußt?

Wird die Musik als solches durch Benotung besser? Werden Musiker durch vergleichende Bewertung besser? Würden sie ohne sie langsamer zu künstlerischer Reife gelangen?

Kein musikalischer Lebenslauf von Wert mehr ohne erste Preise

…bei Dingen wie

  • Jugend Musiziert
  • der Antonín Dvorák International Vokal Competition
  • dem Brussels Jazz Orchestra International Composition Contest
  • dem Anna-Amalia-Wettbewerb für junge Gitarristen
  • der International Competition of Blind and Partially Sighted Music Interpreters and Composers
  • dem Boris Pergamenschikow Preis für Kammermusik
  • dem Biberacher Jazzpreis / Internationaler Wettbwerb für jugendliche Jazzmusikerinnen und Jazzmusiker
  • der Alexander Tansman International Competition of Musical Personalities
  • Jugend jazzt – Landeswettbewerb Sachsen-Anhalt
  • dem Songwettbewerb Panikpreis (Nomen est omen!)
  • der Arturo Toscanini International Conducting Competition
  • Jugend jazzt mit dem ŠKODA Jazzpreis – Bundesbegegnung (Oops!)
  • oder wenigstens dem Wigald Boning-Shootout für Nasenflöte?

Es will fast so scheinen.

Auf der diesbezüglichen Seite des Deutschen Musikinformationszentrums gibt es Einträge zu über 600 europäischen Musikwettbewerben, davon über 350 allein in Deutschland.

Pfff, ehrlich, das macht mich fertig… (na ja, geht so…)

Und wie ich so da sitze und sinnierend am Computer-Keyboard knabbere (früher hab ich dafür immer einen Bleistift benutzt)…

Da fällt mir ein schönes, altes Wort für jemanden ein, der ohne viel theoretisches Hintergrundwissen, mehr aus dem Bauch als aus dem Buch, einfach drauflos spielt, ein großes Repertoire auswendig parat hat und die Zuhörer nicht auf der intellektuellen, sondern der emotionalen (mitunter auch spirituellen) Ebene erreicht.

Ok, Leute, wenn sich ein Cliffhanger so dermaßen aufdrängt, kann selbst ich nicht widerstehen.

Natürlich kannst du es vor Neugierde kaum aushalten. „Was ist das für ein Wort? Werde ich es überhaupt noch verstehen, wenn es so alt ist? Ist es ein deutsches Wort, ein englisches, französisches, kirgisisches, klingonisches…? Wird es kurz oder lang sein oder so mittel?“

Ich jedoch, ich spann dich auf die Folter, lass dich zappeln, im Dunkeln tappen, auf Kohlen sitzen, aber verspreche:

Ich sag´s dir nächstes Mal. Gleich zu Anfang. Echt.

Wortgefecht: Die Amigos vs. Neil Hannon (Teil 2/2)
Warum deutsche Volksmusik bei mir die Arschkarte hat

Volker Giesek

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