Der Termin steht:

12. Februar 2017 | 20:00 | München, Black Box im Gasteig

Ich muss verrückt sein.

Anders ist es nicht zu erklären.

Ich sehe schon die Schlagzeilen:

Volker Giesek: „Ich habe es schon wieder getan.“ | Ein Wiederholungstäter ohne Aussicht auf Besserung | Ein hoffnungsloser Fall | Nicht resozialisierbar – ab in die Sicherungsverwahrung

Nicht anschließend, sondern am besten gleich. Jetzt. Sofort.

Tipp für das Anstaltspersonal: Am wenigsten Schaden richtet er hinter einer Flügeltastatur an (es sei denn, er soll bei 250 bpm über Rhythm Changes improvisieren, das endet für gewöhnlich in einem Gemetzel… ).

Mag sein, aber meine Bewerbung für den

Crazy Dude Award 2017

läuft bereits wegen etwas ganz anderem:

Investiere ich doch gerade wieder massive Kontingente an

  • Geld
  • Zeit
  • Nerven
  • Kreativität
  • Fachwissen
  • Organisationstalent
  • guten Vibes (oder zumindest das, was ich dafür halte)
  • schlaflosen Nächten
  • Zweifeln
  • Kaffee
  • Erdnussbutter-Toasts (Crunchy, mit Stückchen!)
  • Haribo Gummiteufeln

in ein Herzensprojekt ohne Aussicht auf nennenswerte Einnahmen.

Während ich gleichzeitig

  • akquiriere – mal mehr, meistens weniger erfolgreich
  • konspiriere – nichts darf an die Öffentlichkeit, bevor „es“ so weit ist
  • transpiriere – weil ich, wie üblich, nicht sicher bin, ob nicht der einzige Schwachpunkt in dem ganzen filigranen Konstrukt ich bin

Weshalb du dir nun ernsthaft

Sorgen um meinen Geisteszustand

machen darfst:

Ich weiß schon jetzt: Sollte ich und meine Mann-/Frauschaft alles astrein hinbekommen, gönne ich mir ein „UFF“ aus tiefster Seele, warte 3 Sekunden und frage dann: „Und jetzt?“

Die Antwort wird allerdings ein wenig verheerend ausfallen:

„Jahaaa, jetzt… braucht es einfach noch viel mehr von all den Dingen hinter den Punkten oben. Und zwar für das nächste Projekt, bei dem du wieder alles gibst und alles erwarten darfst – nur nicht, dass sich da irgend etwas finanziell trägt.“

Einer der Wenigen, die etwas tragen, werde nämlich ein weiteres Mal ich sein:

  • Verantwortung
  • mein Bühnen-Outfit mit dem knallgelben Entenschnabel und den High-Heels
  • die tonnenschwere PA in den Proberaum

Solche Sachen.

Der entscheidende Ausschnitt aus dem Einführungs-Gespräch mit meinem ersten Steuerberater:

„Herr Giesek, wann rechnen Sie denn mit höheren Einnahmen?“

„Stündlich.“

:))

Falls du tollen kommerziellen Erfolg mit dem hast, was dich künstlerisch erfüllt: Glückwunsch, mehr geht nicht, nichts ändern!

Hat da jemand „Break-Even“ gesagt?

Der Break-Even beschreibt den Punkt, an dem ein Unternehmen genauso viele Einnahmen wie Ausgaben hat.

So steht es auf gruenderszene.de.

Jetzt kommt es natürlich darauf an, in welcher Währung man abrechnet… Auf dich und mich gemünzt:

Der Break-Even beschreibt den Punkt, an dem ein Künstler genau so viel Erfüllung wie Frustration empfindet.

So steht es jetzt auf blogaroundsound.de.

Und wahrscheinlich findest du die Erfüllung nicht auf der Bettkante, wenn du leise die Laken mit deinen launigen Liedern einlullst (oder deinen letzten Leser mit luftleeren Alliterationen).

Ihr müsst raus in die Welt!

Ok, die Laken kannst du da lassen.

Aber egal wie die Sache finanziell ausgeht, du wirst in jedem Fall mit der Manifestierung deiner Kreativität entlohnt.

Und DAS nährt deinen inneren Künstler.

Frustration = Oh, so wenig Kohle damit verdient, eigentlich hab ich sogar tierisch drauf gezahlt, krass.

Erfüllung = Yeah, mein Zeug, in amtlicher Qualität, so kann ich das allen vorführen. Das habe ich also im Portfolio. Und jetzt auf zu neuen Ufern.

Nein, du verwaltest nicht die Hits und einen Status Quo von vor 30 Jahren. Dir fallen immer neue Sachen ein. Du bist auf der Reise, dein ganzes Leben lang.

Keiner redet dir rein, du bist neugierig, unabhängig und entscheidest selbst über deinen nächsten Schritt.

Du bist frei.

So geht Break-Even bei Künstlern.

Woher ich das weiß? Gute Frage, schau mal:

Wenn ich komponiere, schreibe ich Volker-Giesek-Musik. Kann ich gar nichts gegen machen. Warum sollte ich auch? Wär ich ja schön blöd… etwas wohlhabender vielleicht mit anderer Mucke, sicher, …aber komm, is‘ egal jetzt.

Ich erfinde also so vor mich hin und plötzlich sind da 8 Stücke. Na ja, nicht so richtig plötzlich. Aber neu und unveröffentlicht.

Eines davon ist sogar spannendes Neuland für mich: Ein Gesangsstück, zu dem ich höchst persönlich einen englischem Text geschrieben habe (den Naomi Isaacs, ihres Zeichens Native Speaker und meine „Text-Doktorin“, sehr freundlich, aber bestimmt auf englische Authentizität überprüft).

Diese Titel würden sich, auch stilistisch, hervorragend als Sammlung, als so eine Art Playlist machen.

Denn ich meine zu erkennen, dass sogar der durchschnittliche Musik-Nerd von nebenan das alles von vorne bis hinten durchhören könnte (na gut, theoretisch), ohne in den Hyperschlaf zu fallen und erst bei der Mars-Mission zur Evakuierung der Menschheit wieder zu erwachen.

Was haben die Leute früher mit so einem Song-Programm immer „gemacht“? Nee, nicht Konzerte, das Andere. Ach verdammt, …das muss das Alter sein, ich komm nicht drauf. Wie hieß das denn, los, hilf mir mal.

„…“

JA KLAR, Mensch, danke! Du bist super.

Und hast es erfasst: Der nahe Osten braucht Frieden, Amerika einen anderen Präsidenten. Aber die Welt, die Welt braucht dringend meine Songs und

Eine neue COLORBOX-CD

COLORBOX heißt meine Band und ich möchte hier in aller Form und Pixel für Pixel stehen haben:

Márcio Tubino, Ciro Trindade und Andreas Keller haben – wie schon 2012 bei der letzten COLORBOX-CD „Fortune Cookies“ – keine Sekunde gezögert und mit ihrem riesigen Arsenal an Kreativität, Musikalität und Know-How meine Musik nicht nur umgesetzt, sondern auf’s Trefflichste veredelt.

Die Frage war weniger „Welche Gagen kannst du zahlen?“, als „Wann möchtest du ins Studio?“.

Danke, ihr Co-Wahnsinnigen.

Ebenfalls der Wahnsinn: Der Vocal-Track ertönt mit der wunderschön entspannten Alt-Stimme von Alexandra Scholten.

Und natürlich gehören in diese Kategorie auch die Sound-Profis und -Visionäre Florian Oestreicher (Recording und Mix) sowie Christoph Stickel (Mastering) mit ihren 4 Wunderohren (insgesamt, nicht jeder).

Wo wir gerade beim Thema sind: Ob du es glaubst oder nicht, ich war vor ein paar Jahren noch viel wahnsinniger als heute:

Es mag wohl im Jahre des Herrn 2007 gewesen sein, als, ganz und gar gemäß den pergamentenen Prophezeiungen des Schwarz-Sehers Nostradamus,

Lord Voldemort

(aka „Der, dessen Name zu nennen sich nur ein lächerlicher Musik-Blogger trauen würde, der eh nichts mehr zu verlieren hat“) höchstpersönlich auf schwarzen Schwingen heran rauschte und für eine unerfreulich lange und düstere Weile meine zarte Künstlerseele umklammert hielt.

Na gut, lassen wir das. Ich hatte meine Midlife-Crisis. Völlig unromantisch. Eher ein ziemlicher Scheiß. Inklusive einer leichten (?) Depression, ausgelöst durch zu wenige Gummiteufel, sicher, auch.

Zusätzlich, und vielleicht entscheidender, drohte mein innerer Künstler zu verhungern, und da helfen keine Gummiteufel. Da hilft überhaupt nichts von Haribo.

Ich hatte ihn nicht mehr ausreichend mit Futter versorgt während meiner 10 Jahre als Musikalischer Leiter am E.T.A.-Hoffmann-Theater in Bamberg.

Um das klar zu stellen: Den Erfahrungsschatz von dort möchte ich nicht missen. Er kommt mir bei all meinen aktuellen Aktivitäten zugute.

Jedoch.

Ich hätte es mir damals niemals eingestanden, aber im Grunde meines Herzens war ich es leid, mich immer und immer wieder unter Zeitdruck und sub-optimalen Bedingungen und Budgets an der Musik anderer Leute abzuarbeiten.

Während von der Arbeit eines Musikalischen Leiters am Theater nie etwas konserviert bleibt, nachdem der letzte Vorhang für eine Produktion am Dernieren-Abend gefallen ist.

Immer jedoch, wenn es dort etwas zu komponieren gab, war ich ein Streber ersten Ranges. Das hätte mich stutzig machen müssen.

Aber, was soll ich sagen, eines schönen Sommertages scheucht mich meine Frau aus dem Liegestuhl hinter dem Haus, in dem ich es mir mit meiner Depression gemütlich gemacht hatte, und schwärmt ganz euphorisch: „Ich war gerade in der

Ausstellung im Schlosspavillon

Du musst sofort mitkommen. Die Sachen gefallen dir, 100%-ig.“

Also nichts wie hin. Wir erheben uns, ich bin dabei schneller als meine Depression.

Zum Glück, denn Annette hat Recht (sollte sie mich am Ende gar: KENNEN?).

Ein kurzer Spaziergang durch den Park, dann mache ich die Tür zum Pavillon auf und blicke direkt auf das erste Kunstwerk:

Abstrakt und von entwaffnend schlichter Schönheit. Kugeln, weiche, geschwungene Formen, irgendwie an Japan erinnernd, gegensätzliche Materialien, Rost und Porzellan, Ying und Yang?

Pure Ästhetik und Klarheit.

„Klick“, hier brauche ich keine Erklärungen, es trifft mich etwas auf genau meiner Wellenlänge.

Hm. Toll. Ich schleiche um die Werke. Bleibe stehen. Betrachte. Noch mal zurück. Genauer hinschauen. Herrlich. Das alles hat einen „Klang“.

Aufgrund meines aktuellen Zustands (aber auch generell) bin ich in gewissen Dingen, die mit mir und meiner Profession zu tun haben, etwas schüchtern.

Und da die Künstlerin höchstpersönlich anwesend ist, uns beobachtet und das jetzt nicht unbedingt hören muss, sage ich mit gedämpfter Stimme zu meiner Frau: „Also ich könnte sofort los komponieren.“

Dann geht alles sehr schnell:

„Soll ich Ihnen etwas zu den Werken erklären?“ (Die Künstlerin hat sich angeschlichen.)

„Mein Mann sagt gerade, er könnte sofort los komponieren. Er ist nämlich Musiker.“ (Annette hat geplappert.)

Woraufhin mich die Dame, sie heißt Ulle Schmidt-Ibach, schelmisch blinzelnd anschaut: „Ja, dann machen Sie das doch.“

Einfach so.

Das imponiert mir bis heute.

„Tonbilder“ hieß dann unser erstes von insgesamt 3 gemeinsamen Projekten mit Klavier-Musik zu ihren Werken, die dann im Rahmen der jeweiligen Vernissage präsentiert wurde.

Da lag es auf der Hand, den Spieß einmal umzudrehen und die Bilder der Musik folgen zu lassen.

Wir waren uns schnell einig:

Ein Artwork für das Cover

der neuen COLORBOX-CD bietet dafür die perfekte Gelegenheit.

Gemeinsam haben wir in Ulles Atelier in die ganz frischen, noch ungemasterten Aufnahmen hinein gehört.

Ihr erster Reflex: „Das ist so rhythmisch. Ich denke, ich löse das über Bewegung.“

Ein paar Wochen später präsentierte sie mir dann statt einem einzelnen Bild für das Cover zwei Werke für jeden einzelnen Titel zur Auswahl (zum letzten Track, dem „Welt-Bild“, sogar drei – meine Auswahl ist das Beitragsbild dieses Artikels)!

Alles spontane japanische Tuschzeichnungen, die weniger den Verlauf der Musik nachzeichnen, sondern vielmehr die „Vibes“ des Titels aus Ulles Perspektive sichtbar machen.

Also: 12-seitiges Booklet. Und da hinein kommen auf alle Fälle schon mal die 8 Bilder zu den Tracks.

Das Original von meinem Lieblings-„Welt-Bild“ bekomme ich sogar von Ulle geschenkt (s. Beitragsbild oben). Zufällig ist es genau das, welches ich mir auch für die Gestaltung des Digi-Packs aussuchen werde, das Eva Maria Rott (emaro-design.de) auf wunderbar kreative Art designt.

Die Anschub-Finanzierung, ohne die all das so nicht möglich gewesen wäre, übernimmt Michael Nasswetter, bei dessen Label NMG (Nasswetter Music Group) die CD erscheinen wird.

Da COLORBOX eine deutsch-brasilianische Besetzung ist, ist es über den Deutsch-Brasilianischen Kulturverein e.V. und die unermüdliche Rosanna Gebauer gelungen, für das Release-Konzert finanzielle Unterstützung vom Kulturreferat der Stadt München zu bekommen.

Der Deal: Bei jeder Werbung für die Veranstaltung muss das KR-Logo auftauchen.

Das probiere ich gleich mal aus. Also im Chor: Wir sind ja schon so gespannt auf den

Release der neuen COLORBOX-CD „INSELTAGE“

am Sonntag, den 12. Februar 2017 um 20:00

in der Black Box im Gasteig München

Da werden dann auch Ulles Bilder zu sehen sein: Einmal als Projektion per Beamer während wir spielen. Außerdem kann man die Originale draußen auf dem Flur vor der Black Box bewundern und sie bei einem Drink genauer unter die Lupe nehmen.

Na bitte, war gar nicht so schwer. Schon toll, so’n Logo.

Ich fühle mich gerade, als stünde ich kurz vor der Vollendung eines 1000-Teile-Puzzles, an dessen Zusammensetzung eine ganze Schar helfender Hände beteiligt war.

Manchmal passen die Dinge einfach zusammen.

Ich trau mich zwar noch nicht so recht, aber ich glaub, ich freu mich.

Ganz vorsichtig.

Und kann mich schon hören nach dem Konzert:

„UFF!“

„Und jetzt?“


Bildnachweis

Ulle Schmidt-Ibach: „Welt-Bild“

"Alles, was ich weiß" (Blogartikel, Songtext)
An der Clipping-Grenze

Volker Giesek

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